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Das Gebet ist ein Akt der Liebe

Maria Valtorta - «Der Gottmensch»

Wie betet man? Wie kann ich der Routine entfliehen? Warum antwortet Gott nicht auf mein Gebet? ... In der Bergpredigt antwortete Jesus.
Hört, wie ihr beten sollt: sowohl mit der Zunge als auch mit der Arbeit und mit eurem ganzen Sein, aus Antrieb des Herzens, das Gott liebt und in ihm den Vater erkennt und das euch stets bedenken lässt, wer der Schöpfer und was das Geschöpf ist. Dann steht der Mensch stets in ehrfurchtsvoller Liebe vor dem Angesicht Gottes, ob er nun betet oder arbeitet oder unterwegs ist, ob er sich ausruht, seinen Lebensunterhalt verdient oder Wohltaten spendet. Aus einem inneren Antrieb des Herzens, habe ich gesagt. Dies ist die erste und wesentliche Eigenschaft, denn alles kommt aus dem Herzen, und wie das Herz ist, so ist der Geist, das Wort, der Blick und das Handeln eines Menschen.
Der Gerechte schöpft aus seinem gerechten Herzen das Gute, und je mehr er daraus schöpft, desto mehr findet er; denn was er Gutes getan hat, erzeugt aufs neue Gutes, so wie das Blut, das sich im Kreislauf durch die Adern erneuert und, angereichert mit neuen Stoffen aus Luft und Nahrung, zum Herzen zurückkehrt. Der entartete Mensch hingegen kann aus seinem finstersten Herzen voller Trug und Gift nur Trug und Gift schöpfen, und wie sich bei ihm Trug und Gift durch die zunehmenden Sünden mehren, so vermehrt sich beim guten Menschen die Gnade Gottes. Glaubt nur, wovon das Herz des Menschen voll ist, davon fließt der Mund über, und in seinen Werken findet es seinen Ausdruck.
Schafft euch ein demütiges und reines Herz, voll Liebe, Vertrauen und Aufrichtigkeit. Liebt Gott mit der scheuen Liebe, die eine Jungfrau für ihren Bräutigam empfindet. Wahrlich, ich sage euch, jede Seele ist eine Jungfrau, vermählt mit dem ewig Liebenden, unserem Herrn und Gott. Dieses irdische Leben ist die Zeit der Verlobung und der Engel, der jedem Menschen als Beschützer gegeben wurde, der geistige Brautführer. Alle Stunden des Lebens und jede Begebenheit sind ebenso viele Mägde, die die hochzeitliche Ausstattung vorbereiten. Die Stunde des Todes ist die Stunde der mit Gott vollzogenen Vermählung, danach kommt die Erkenntnis, die Umarmung und die Vereinigung. Angetan mit dem Hochzeitsgewand, kann nunmehr die mit Gott vermählte Seele ihren Schleier abnehmen und sich in die Arme Gottes werfen, und niemand kann an dieser Liebe zum Bräutigam Anstoß nehmen.
Doch zur Stunde, ihr Seelen, da sich eure Hingabe an Gott noch im Opfer der Verlobungsbande vollzieht, begebt euch, um mit Gott, dem Bräutigam zu sprechen, in die friedliche Stille eurer Wohnung, besonders aber in die friedliche Wohnung des Herzens und sprecht als Engel im Fleisch, die ihr stets euren Schutzengel zur Seite habt, zum König der Engel. Sprecht zu eurem Vater in der Verborgenheit eures Herzens und eurer inneren Kammer und lasst alles weltliche draußen, sowohl den Drang, bemerkt zu werden und erbaulich zu wirken, als auch die Bedenken, ob lange wortreiche Gebete mit vielen lauen und schalen Worten der Liebe notwendig seien. O nein, nichts von alledem! Befreit euch davon, im Gebet Maßstäbe anzusetzen. Tatsächlich gibt es Menschen, die Stunde um Stunde in einem sich wiederholenden Monolog, einem bloßen Lippen- und Selbstgespräch verschwenden, denn nicht einmal der Schutzengel hört zu. Er versucht, das leere Geplapper wieder gutzumachen, indem er sich selbst, anstelle seines törichten Schützlings, in ein glühendes Gebet versenkt.
Es gibt wahrlich solche, die diese Stunden nicht anders verbringen würden, auch wenn ihnen Gott persönlich erschiene und sagte: «Das Heil der Welt hängt davon ab, dass du diese seelen­lose Art zu beten aufgibst, um vielleicht einfach an einem Brunnen Wasser zu schöpfen und damit aus Liebe zu mir und deinem Mitmenschen die Erde zu begießen.» In Wahrheit, es gibt Leute, die ihr Selbstgespräch höher einschätzen als die Höflichkeitspflicht, einen Besucher zu empfangen oder in Nächstenliebe einem Notleidenden zu helfen. Es sind Seelen, die dem Götzendienst des Gebets verfallen sind.
Das Gebet ist ein Akt der Liebe. Und lieben kann man, wenn man betet und wenn man Brot bäckt, wenn man betrachtet, wenn man einem Gebrechlichen beisteht, wenn man zum Tempel pilgert, wenn man sich der Familie widmet, wenn man ein Lämmlein darbringt, oder wenn man, um sich im Herrn zu sammeln, die eigenen selbstgerechten Wünsche opfert. Es genügt, dass man sein ganzes Sein und alles, was man tut, in Liebe kleidet. Habt keine Angst! Der Vater sieht euch. Der Vater versteht euch. Der Vater hört euch an. Der Vater gibt euch. Wieviel Gnaden werden schon für einen einzigen, wahrhaftigen, vollkommenen Liebesseufzer gewährt! Welche Fülle für ein geheimes, mit Liebe dargebrachtes Opfer! Seid nicht wie die Heiden. Gott hat es nicht nötig, dass ihr ihm sagt, was er tun und geben soll, um euch zu helfen. Das können die Heiden ihren Götzen sagen, die nichts verstehen, nicht aber ihr eurem Gott, dem wahren, geistigen Gott, der nicht nur Gott und König, sondern auch euer Vater ist und weiß, was ihr braucht, noch bevor ihr ihn darum bittet.
Bittet, und ihr werdet empfangen, sucht, und ihr werdet finden, klopft an, und es wird euch aufgetan. Denn wer bittet, empfängt, wer sucht, der findet und wer anklopft, dem wird aufgetan. Wenn eines eurer Kinder das Händchen hinhält und sagt: «Vater, ich habe Hunger», gebt ihr ihm dann vielleicht einen Stein? Gebt ihr ihm eine Schlange, wenn es euch um einen Fisch bittet? Nein, im Gegenteil, ihr gebt ihm Brot, Fisch und noch mehr: Liebkosung und Segen; denn für einen Vater ist es wunderbar, sein Geschöpf zu ernähren und sein glückliches Lächeln sehen zu können. Wenn ihr also trotz eures unvollkommenen Herzens euren Kindern aus natürlicher Liebe heraus gute Gaben zu geben wisst, wie auch das Tier mit seiner Brut es tut, wieviel mehr wird euer Vater, der im Himmel ist, denen geben, die ihn um gute und ihrem Wohl zuträgliche Dinge bitten. Habt keine Angst zu bitten, und fürchtet nicht, das Erbetene nicht zu erhalten.
Jedoch – hier muss ich euch vor einem Irrtum warnen, dem man leicht verfallen kann – macht es nicht wie die Schwachen im Glauben und in der Liebe, die Heiden der wahren Religion – denn auch unter den Gläubigen gibt es Heiden, deren armseliger Glaube ein Gewirr von Aberglauben und wahrem Glauben, ein heruntergekommenes Gebäude ist, in dessen Mauerrissen sich Unkraut und Schmarotzerpflanzen jeglicher Art eingenistet haben, so dass die Mauer abzubröckeln beginnt und später in Verfall gerät – deren Glauben zu schwinden beginnt, wenn sie sehen, dass sie nicht erhört werden.
Ihr bittet, und ihr findet es richtig zu bitten. In diesem Augenblick wäre es in der Tat nicht ungerecht, euch die erbetene Gnade zu gewähren. Doch das Leben ist in diesem Augenblick noch nicht zu Ende, und was heute gut sein mag, kann morgen schlecht sein. Ihr könnt dies nicht wissen, denn ihr kennt nur die Gegenwart, und das ist schon eine Gnade Gottes. Doch Gott kennt auch die Zukunft, und um euch ein noch größeres Leid zu ersparen, lässt er oft ein Gebet unerhört. In diesem Jahre meines öffentlichen Lebens habe ich mehr als einmal in den Herzen ein Seufzen vernommen: «Wie sehr habe ich damals gelitten, als Gott mich nicht erhört hat.» Doch nun sage ich: «Es war gut so, denn jene Gnade hätte mich daran gehindert, jetzt zu Gott zu kommen.» Andere habe ich sagen und mir sagen gehört: «Warum, Herr, erhörst du mich nicht? Alle erhörst du, nur mich nicht», und obwohl es mich schmerzte, sie leiden zu sehen, musste ich antworten: «Ich kann nicht», denn die Erhörung wäre ein Hindernis für ihren Höhenflug zur Vollkommenheit gewesen.
Auch der Vater sagt manchmal: «Ich kann nicht.» Nicht, weil er nicht augenblicklich eingreifen könnte, sondern er will die Bitte nicht erfüllen, weil er die sich daraus ergebenden Folgen für die Zukunft kennt. Hört: Ein Kind hat kranke Eingeweide. Die Mutter ruft den Arzt, und dieser sagt: «Um es zu heilen ist absolutes Fasten nötig.» Das Kind weint, schreit, bettelt und scheint vor Hunger zu sterben. Die wie immer mitleidsvolle Mutter vereinigt ihre Klagen mit denen des Kindes. Das totale Verbot des Arztes scheint ihr zu hart zu sein. Sie meint, dem Kind könnte das Fasten und das Weinen schaden. Doch der Arzt bleibt unerbittlich und sagt schließlich: «Frau, ich weiß, um was es geht, du weißt es nicht. Willst du dein Kind verlieren, oder willst du, dass ich es dir rette?» Die Mutter schreit: «Ich will, dass es lebt.» «Dann», sagt der Arzt, «kann ich keine Nahrung erlauben. Es wäre sein Tod.» Auch der Vater spricht manchmal so. Ihr Mütter, die ihr euer Ich bemitleidet, wollt nicht hören, dass es einer verweigerten Gunst wegen weint. Doch Gott sagt: «Ich kann nicht. Es wäre zu deinem Übel.» So kommt der Tag oder die Ewigkeit, wo man sich schließlich sagen muss: «Danke, mein Gott, dass du meine törichte Bitte nicht erhört hast.»

«Der Gottmensch», 
Band 3, Kapitel 211, 
S. 298-301
 

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