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Christen in Mali: Pater Germain im Gespräch

Kirche in Not

KIRCHE IN NOT (KiN): Wie steht es um die Diözese Mopti in Zentralmali vor dem Hintergrund eines überwiegend muslimischen Landes, das erschüttert wird von den Aufständen der Tuareg und der Bedrohung durch die Dschihadisten?
Pater Germain (P.G.): Es ist eine beträchtliche Zunahme der Zahl der Katholiken und gespendeten Sakramente zu verzeichnen. Allein im Jahr 2015 waren es 1400 Taufen, 674 Firmungen, fast ebenso viele Kommunionen, 140 Eheschließungen, während, um Ihnen eine Idee zu geben, im Jahre 2012 nur 600 bis 700 Taufen gezählt wurden!

Pater Germain Arama, Ökonom des Bistums Mopti, Mali, auf Besuch in Deutschland.
Bild: KIRCHE IN NOT

KiN: Wie erklärt sich dieses Wachstum?
P.G.: Wenn die Menschen sehen, wie die Christen leben, was sie für andere tun, sind sie davon überzeugt, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Sie sagen sich: «Ach, zwar sind sie nicht zahlreich, aber das, was sie machen, ist wirklich lobenswert.»
Zum Großteil erfolgen die Konvertierungen in eine Richtung: von der traditionellen Religion unserer Vorfahren zum Katholizismus. Eines Tages half zum Beispiel eine Pfarrei Menschen dabei, hier und dort Brunnen zu graben. Als es den Dorfbewohnern bewusst wurde, dass Christen bei der Arbeit waren, konvertierte der animistischen Chef mit seiner gesamten zehnköpfige Familie zum Katholizismus.
KiN: Ist der Zuwachs der Katholikenanzahl auf die Flucht der Christen vom Norden in dem Süden zurückzuführen?
P.G.: Das glaube ich nicht. Die Christen aus dem Norden, die zu uns geflohen sind, waren nicht zahlreich: fünf oder sechs in Kidal, zwanzig in Timbuktu; hundert bis zweihundert Personen in Gao. Sie waren zudem bereits getauft. In diesem Sinne, ja, sie haben die Zahl der Christen in unserer Diözese anschwellen lassen, aber nicht die der Getauften.
KiN: Steigt die Priesterzahl proportional zu der Zahl der Getauften?
P. G.: Proportional, so kann man es nicht sagen, aber heute gehören rund dreißig Priester zu meiner Diözese, darunter fünf junge Priester, die letztes Jahr geweiht wurden, und, wenn alles gut geht, vier, die in den zwei nächsten Jahren geweiht werden. Acht sind im Großseminar. Aber in manchen Regionen gibt es noch viel zu tun. Es gibt immer noch Gebiete, in denen es nur vier Priester für 250 Pfarreien oder Kapellengemeinden gibt!
KiN: Was sind die spezifischen Nöte Ihrer Diözese?
P.G.: Bereits jetzt zählen wir auf Ihre Gebete, wir haben jedoch auch materielle Nöte. Wir haben insgesamt sieben Pfarreien, und in jeder wird eine andere Sprache gesprochen. Eben wurde eine neue Pfarrgemeinde eingeweiht, in der noch kein Büro eingerichtet ist.
Wir haben einen Bedarf an Ausbildung. In manchen Dörfern gibt es 4-5 prächtige Moscheen und wir Katholiken sind in einer Art Schuppen untergebracht. Ebenso ist es notwendig, dass Kongregationen von Ordensschwestern zu uns kommen, um uns bei der pastoralen Arbeit zu unterstützen, und dafür müssen wir in der Lage sein, ihnen ein Obdach zu geben.

Junge Frauen im Bistum Mopti, Mali. Bild: KIRCHE IN NOT

 

KiN: Inwiefern sind die Ordensfrauen besonders wertvoll?
P.G.: Besonders wertvoll sind sie für die Unterstützung von Frauen. Bei uns sagt man: «Das Haus ist die Domäne der Frau», sie hat eine sehr wichtige Rolle bei den Kindern und ihrem Ehemann. Sie ist die erste, die aufsteht, und die letzte, die zu Bett geht. Um daran nicht zu verzweifeln, braucht sie Unterstützung. Unter ihnen sind auch junge Frauen. In Sévaré, zum Beispiel, dem Gebiet, wo sich die Schwestern nach der Ernte niederlassen werden, bieten die Dörfer nicht viele Aktivitäten an. Daher gehen alle jungen Frauen in die Stadt, um eine Arbeit zu finden. Sie werden ausgenützt, stecken sich mit allen mögliche­n Krankheiten an… sie brauchen Unterstützung.
KiN: Gibt es noch Katholiken im Norden des Landes?
P.G.: Die wenigen übrig Gebliebenen sind vor allem Ausländer: Soldaten aus Frankreich (Operation Barkhane), der MINUSMA, Blauhelmsoldaten, Togolesen, Ivorer.

Ordensschwestern in der Stadt San, mit einem von KIRCHE IN NOT finanzierten Motorrad. Bild: KIRCHE IN NOT

 

KiN: Gar keine katholische Malier?
P.G.: Doch, Verwaltungsangestellte oder Lehrer (wie in der St. Geneviève Schule in Gao). Zu Weihnachten letztes Jahr waren sie mehr als zweihundert. Das Gleiche gilt für Ostern. Ich glaube aber nicht, dass es aus Überzeugung ist. Sie arbeiten hier aus der Not heraus, um ihr tägliches Brot zu verdienen.
KiN: Wegen der nicht vorhandenen Sicherheit im Norden des Landes hat sich seit 2012 die Kirche, weder in Gao noch in Timbuktu, nicht wirklich wieder eingerichtet: Kein Pfarrhaus und keine dauerhafte Kirche. Können Sie es bestätigen?
P.G.: Es stimmt, es ist eine schwierige Lage. Es gibt Selbstmordattentäter, Bomben, die hier und da gelegt werden. Die gesamte pastorale Arbeit ist stillgelegt. Der einzige Priester, der gelegentlich zur Eucharistiefeier kommt, fliegt unter militärischen Schutz mit dem Flugzeug; und, sollte er mit dem Auto kommen, braucht er dafür einen ganzen Tag, denn es handelt sich um Entfernungen von mindestens 600 bis zu 700 km. Und es ist ihn unmöglich, vor Ort zu bleiben. Im Norden verlässt du am Morgen deine Familie, wenn du dich auf den Weg zur Arbeit machst, aber… wirst du am Abend zurückkommen um sie wiederzusehen? Niemand hat die Kontrolle. Christ oder nicht, jeder kann von demselben Schlagstock getroffen werden. Aber ich denke, dass wir weiterhin hoffen und zum Frieden und zur Versöhnung einladen müssen.
KiN: Im Norden gab es doch vor einigen Jahren christliche Gemeinden?
P.G.: Ja, es gab Afrika-Missionare in Gao und Ordensschwestern, die jedoch weggegangen sind. Manche haben Mali verlassen, andere sind in Bamako.

KIRCHE IN NOT hilft beim Bau der Kirche Eze, Pfarrei Bandiagara, Mali. Bild: KIRCHE IN NOT

 

 

KiN: Gibt es immer noch Spannungen zwischen Christen und Muslime im Land?
P.G.: Christen und Muslime leben von früh bis spät Seite an Seite und die Probleme kommen nicht daher. Zu Beginn der Rebellion dachten manche, es sei aus religiösen Gründen, in Wirklichkeit war dies aber nicht der Fall. Die Nordregion, Azawad genannt, wollte die Unabhängigkeit und hat die Krise in Libyen genutzt, um Unterstützung in ihrem Kampf zu bekommen. Das ist das eigentliche Problem.
KiN: Was ist mit den Angriffen der Dschihadisten?
P.G.: Es gibt zwei Arten von Dschihadisten, zwei unterschiedlichen Ansichten: diejenigen, die sich unter den Rebellen vermengt haben, um die Unabhängigkeit des Azawads zu erlangen, und diejenigen, die unbedingt wollen, dass ganz Mali muslimisch wird. Übrigens vertragen sie sich untereinander nicht.
KiN: Was wurde aus den Anhängern der Scharia in Mali? Sind manche noch im Lande?
P.G.: Sie wurden zurückgedrängt. Manche sind tot, man weiss nicht, wo die anderen sind. Vermutlich haben sie sich versteckt oder mussten fliehen: nach Mauretanien, Algerien oder anderswohin. Aber man muss gestehen, dass sich manche immer noch bei uns befinden, mitten unter uns. Manche stammen sogar aus unseren Dörfern. Daher sind noch Attentate und Selbstmordattentäter zu verzeichnen.
KiN: Welche Herausforderungen stellen sich der Kirche in Zukunft?
P.G.: Die Versöhnung. Die Christen haben Eltern verloren. Die Muslime haben auch hier einen Onkel und da ein Bruder verloren. Es gab so viele Verschwörungen! Die Menschen sollten akzeptieren, sich wirklich zu versöhnen. Und wenn wir Christen einen anhaltenden Frieden wollen, müssen wir durch diese Versöhnung gehen. Das ist unumgänglich.
KiN: Ist Versöhnung möglich?
P.G.: Ja, aber die Medien, die noch immer von Anschlägen und Spannungen berichten, zeigen, dass wir noch nicht soweit sind. Die katholische Kirche muss die Menschen sensibilisieren, indem sie ihnen sagt, dass Fehler gemacht worden sind, aber dass sich die Welt immer noch dreht.

Pater Germain hat das internationale katholische Hilfswerk KIRCHE IN NOT in Königstein (Deutschland) am Donnerstag, den 21. April 2016 besucht. Er ist in Mopti (Mali) geboren, studierte im Seminar der Hauptstadt Bamako, und ist Priester und Ökonom der Diözese Mopti (rund 3 Millionen Menschen leben in dieser Region).

 

 

 

 

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