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Der heilige Johannes Paul II., Prophet der Barmherzigkeit

Hier geben wir die Hauptaspekte des Vortrags wieder, den Bernard Balayn am 11. Dezember 2015 in der Gemeinde Saint-Louis in Brest zur Einführung in das Außerordentliche Jahr der Barmherzigkeit hielt, das Papst Franziskus am 8. Dezember letzten Jahres eröffnet hat.

Ich danke den Priestern Ihrer Gemeinde für die freundliche Einladung, zum Eintritt in dieses Außerordentliche Jahr, das unser Papst Franziskus verkündet hat, mit Ihnen über die Barmherzigkeit, diese große pastorale und katechetische Tugend des heiligen Karol Wojtyla zu sprechen. Dieses Thema ist unerschöpflich wie das Meer, deshalb beschränke ich mich auf das Wesentliche und stütze mich vor allem auf die konkreten Zeugnisse des Lebens dieses großen Papstes der Barmherzigkeit.
Um das unermessliche Erbarmen von Karol Wojtyla zu verstehen, muss man vom Begriff der Barmherzigkeit ausgehen und dann sehen, wie der zukünftige Papst ihn begriffen und umgesetzt hat.
Die Barmherzigkeit ist ein anderer Name der Liebe, die das Wesen des Dreifaltigen Gottes ist. Der heilige Johannes sagt uns: «Gott ist Liebe.» Da die Liebe vollkommen ist, konnte sie sich nicht von der Außenwelt abschließen. Von ihrem Wesen her ist sie Dynamik, Ausdehnung, Kommunikation, Teilen und Erbarmen, wenn dann die Sünde auftaucht. Diese Liebe äußerte sich in drei «Vorsprüngen»: der Vater (die Quelle) schuf den Menschen; der Sohn (der Kanal) erlöste ihn; der Heilige Geist (der Überträger) verkündete den Erlöser seinen Gesandten wie den Propheten, und ließ ihn im Schoß Mariens, der Mutter der Barmherzigkeit, Fleisch annehmen. Das erste große Werk der Barmherzigkeit ist das Vertrauen, das der Vater Adam trotz seiner Sünde nicht entzogen hat: Das Erbarmen, das sich über den Sünder neigt, will ihm vergeben und ihn erlösen. Das zweite Werk ist die Menschwerdung, das dritte und das größte ist die Erlösung, wie Johannes Paul II. sagte. Der Lanzenstoß, der das Herz Christi eröffnete, ist die Bekundung dieser unumschränkten Barmherzigkeit, die durch seinen Tod am Kreuz erlangt wurde. Die Barmherzigkeit ist also das unendliche Erbarmen, das zum Heil aller aus dem Herzen des Vaters und dann des Sohnes durch den Heiligen Geist kam.
Davon ausgehend kann man die Prinzipien erfassen, die die Barmherzigkeit von Johannes Paul II. bestimmten.
Sein grundlegender Auftrag, die Zeit der Barmherzigkeit zu einzuleiten – der wahre Name der Zivilisation der Liebe – kommt auf seinem päpstlichen Wappen zum Ausdruck: das Kreuz (Symbol der Christozentrik, die dem Papst so viel bedeutete) und das M von Maria, die am Fuß der Kreuzes an der Erlösung teilnahm, als sie ihre universale und kirchliche Mutterschaft empfing. Sie ist also wirklich die Mutter der göttlichen Barmherzigkeit.
Das Gedankengut des Papstes entfaltet sich ausgehend von drei wichtigen Texten.
Der erste Text ist das Zeichen des Widerspruchs, Exerzitien, die Kardinal Wojtyla für Papst Paul VI. 1976 hielt, und bei denen er anhand der Todesangst Christi im Garten Getsemani den siegreichen Kampf des Lichtes gegen die Finsternis, des Lebens gegen den Tod, der Gnade gegen sie Sünde aufzeigte. Diese Meditation enthüllt das Siegel der Erlösung: die Barmherzigkeit, die das Böse in seiner mächtigen, fruchtbaren und unbegrenzten Wirklichkeit vollkommen verbrennt und vernichtet. Als großer Mystiker und Jünger des heiligen Johannes vom Kreuz bestätigt der Papst also die unumschränkte Stellung des Kreuzes im Erlösungswerk, mit dem er die Miterlöserin verbindet. Das ist sein Wahrzeichen, sein Programm.
Der zweite Text ist seine Antrittsenzyklika Redemptor hominis, in der er die unbeschreibliche Liebe Gottes zum Menschen aufzeigt, den Er rettet und erlöst, indem er ihm die Kindschaft, die Würde und die Größe wiedergibt.
Der dritte, genauso grundlegende Text ist die folgende Enzyklika Dives in Misericordia (Über die göttliche Barmherzigkeit), die das vorige Thema anhand der Vaterschaft Gottes, des Opfers seines Sohnes, der Lehre der Propheten, des Auftrags der Kirche und der Mater Ecclesiae wiederaufnimmt. Dieses Schreiben ist die Charta des barmherzigen Handelns des Papstes.
Diese Dokumente und das Charisma von Johannes Paul II. nähren sein mächtiges Zeugnis der Barmherzigkeit, das wir heute Abend nur skizzieren können.
Dieses Zeugnis durchquert sein Leben von Anfang bis Ende: In diesem Sinn ist Johannes Paul II. der «Sohn» von K. Wojtyla. Als seine Familie verstarb, machte er seine Umgebung, die Kirche und seinen Nächsten zu seiner neuen und universalen Familie. Die Lektüre des Tagebuchs seiner Landsmännin Schwester Faustyna und ihr Vorbild drängten ihn in diese Richtung, und unbeabsichtigt wurde er nach ihr – dem Apostel der Barmherzigkeit – der Prophet der Barmherzigkeit für unsere Zeit des Umbruchs. Das Neue der Botschaft Christi, die Schwester Faustyna empfing, besteht darin, dass Jesus den sündigen Menschen in seine heiligen Wunden zieht, um ihn zu läutern, und dann in die Welt zurückschickt, wo er ihn mit seiner Barmherzigkeit nährt.
Und als er zum Papst gewählt wurde, nahm er als ersten Namen Johannes an: der Apostel der Liebe…
Um uns mit der glühenden Nächstenliebe des Heiligen Vaters zu befassen, folgen wir der kirchlichen Frömmigkeit, die uns die 7 leiblichen Werke der Barmherzigkeit (dem Nächsten in Not konkret zu Hilfe kommen) und die 7 geistlichen Werke der Barmherzigkeit (den Seelen in Schwierigkeit beistehen) aufträgt. Das sind die grundlegenden Werke, zu denen andere hinzukommen können.
Die körperlichen Werke der Barmherzigkeit
Die körperlichen Werke der Barmherzigkeit (vgl. heiliger Matthäus: die Seligpreisungen) und der heilige Lukas (der «Evangelist der Barmherzigkeit») zielen darauf ab, den Armen und Leidenden die grundlegende Würde wiederzugeben.
Seit seiner Jugend lebte Karol die Armut (z. B. während des Krieges) und teilte das Wenige, was er hatte. Als er Priester geworden war, beobachteten die, die ihm nahestanden, dass er nichts für sich behielt außer den Büchern, die er für sein Hirtenamt brauchte, und dass seine Kleider oft abgenutzt waren. Er gab die Bettwäsche, die er als Vikar hatte, einer armen Mutter, und sein Professorengehalt bedürftigen Studenten.
Als er Papst geworden war, drängte er die päpstlichen Dienste, der Bevölkerung in Not beizustehen (Bsp.: Cor Unum), schuf seine Stiftung für die Sahel-Zone, die zunehmend unter Hunger litt. In diesem Sinn spendete er viel, auch persönliche Dinge: Um die Not in einer Favela in Brasilien zu lindern, verschenkte er seinen Amtsring.
Bei seinen Reisen und Ansprachen (z. B. UNO, UNESCO, FAO usw.) predigte er die menschliche Würde: «Der Mensch ist ein Wesen, dem nur eine einzige Dimension angemessen ist: die Liebe.» Er fügte hinzu: «Niemand kann gleichgültig bleiben angesichts der Geographie des Hungers. Man muss den Menschen um seiner selbst willen erneut bekräftigen. Der Mensch steht immer an erste Stelle.»
Er predigt die Aufnahme der Fremden aller Art, empfiehlt jedoch den Einheimischen, sich mit Hilfe ihrer Bemühungen und der Vorsehung in ihrem eigenen Land zu entwickeln.
Er tröstet die Betrübten, lindert so gut wie möglich der Not der Menschheit.
Das tat er aufgrund seiner kreuzigenden Erfahrung des Leidens, die er schon in seiner Jugend und dann als Papst nach dem Attentat vom 13. Mai 1981 machte. Auf diese Weise wurde er körperlich, seelisch und geistlich ein echter Märtyrer des Dienstes und der Liebe, denn er opferte alles für die Kirche und für die Menschen auf (vgl. sein Angelus vom 17. Mai 1981). Am Höhepunkt seines Leidens sagte er: «… der Papst muss leiden, damit die Welt erkennt, dass das Leiden das oberste Evangelium ist: Das Evangelium des Leidens…»
Er neigte sich also über alle menschlichen Schmerzen: Er besuchte nicht nur die benachteiligten Kinder, sondern auch die leidenden und behinderten Kinder (in den Krankenhäusern der Dritten Welt). In Salvador kam er mit 30 000 armen Kindern zusammen: «Es darf keine verlassenen, ausgeschlossenen, ermordeten, missbrauchten (Arbeit, Gewalt, Kriege) Kinder geben.» Man denkt an den Sprecher der versklavten Kinder, den 12-jährigen Pakistani Iqbal Masih, der von seinen Henkern ermordet wurde. In San Francisco hatte er Mitleid mit Brendan, dem AIDS-kranken Kind und küsste es. Auch diese Szene ging um die ganze Welt. Er entfaltete seine Fürsorge seit jeher für die jungen Menschen in seiner Heimat, dann auf der ganzen Welt: Er führte die Weltjugendtage (WJT) ein und setzte sich voll und ganz für sie ein, im Stadion Parc des Princes (Frankreich, 1980) genauso wie in Tor Vergata (Rom, 2000).
Er besuchte auch erwachsene Kranke wie in Tours und in Lourdes, der Welthauptstadt der Kranken. Er veröffentlichte verschiedene Texte für sie, schuf eine päpstliche Organisation für die Gesundheit und führte den Welttag der Kranken ein. Für ihn war der Leidende ein «Miterlöser» (Marthe Robin).
In der Nachfolge von Papst Paul VI. (Humanae Vitae) kämpfte er entschieden für die Achtung jedes Lebens.
Zusammen mit dem Kampf für die Familie, war dies der große, zentrale Kampf seines Pontifikates. Er widersetzte sich überall und unermüdlich insbesondere der Abtreibung, der eugenischen Irrwege, der Euthanasie und anderen unmoralischen Entartungen. Dafür veröffentlichte er die Enzyklika Evangelium Vitae und schuf die Päpstliche Akademie für das Leben.
In diesem unerbittlichen Kampf wurde er von zwei außergewöhnlichen Frauen unterstützt: einer Landsmännin, die aus den Nazi-Lagern gerettet wurde, Wanda Poltawska (die dann Ärztin, Eheberaterin, Moralistin und Theologin wurde) und die unvergessliche – bald heilige – Mutter Teresa von Kalkutta, das «Double» des Papstes in der Nächstenliebe. Und auch von einem Mann, dem französischen Genetiker Jérôme Lejeune.
Es ist bemerkenswert, dass K. Wojtyla schon mit 25 Jahren Menschenleben rettete, wie das seiner jungen jüdischen Landsmännin Edith Tzirer, 12 Jahre, die erschöpft gerade aus einem Konzentrationslager kam.
Er besuchte die Gefängnisse und rühmte die Vergebung
Nachdem er das marxistische Polen verlassen hatte, arbeitete er unermüdlich an der Befreiung Osteuropas, das unter dem sowjetischen Joch stand. Mit Hilfe der Heiligen Jungfrau von Fatima gelang ihm dies nach elf Jahren harter Arbeit, Gebet, Leiden und Opfer. 1989 fiel die Berliner Mauer, Osteuropa erstand in Freiheit und das rote Moskau kam ebenso zu Fall.
Von Senegal aus bat er um Vergebung für den Sklavenhandel der damaligen Zeit: «Der Schrei von Gorée…!»
Ende 1983 ging er im Rahmen des Jahres der Versöhnung in das römische Gefängnis Rebbibia, um seinem Angreifer von 1981, Ali Agça sein Erbarmen zu schenken und ihm zu vergeben. Sichtbares Zeichen seiner Großherzigkeit mit allen unsichtbaren Beleidigungen, die dem Papst von Fatima zugefügt wurden (die Heilige Jungfrau hatte sie angekündigt).
Selbst als Papst praktizierte er das Sakrament der Buße, worin er seine größten Vorbilder nachahmte: den heiligen Pfarrer von Ars, den heiligen Padre Pio usw.
Er bat auch um Vergebung für die historische Schuld der Kirche, wie in Jerusalem an der Klagemauer (2000), und erleichterte so den ökumenischen und interreligiösen Dialog.
Und schließlich vernachlässigte er weder die Sterbenden noch die Verstorbenen.
In seinen verschiedenen Ämtern stand er stets den Sterbenden bei und neigte sich sogar über die Sterbenden in der Todesklinik von Mutter Teresa in Indien. Er begab sich in dies schrecklichen Todesstädte unserer Zeit: Auschwitz, Hiroshima, Nagasaki, Yad Vashem usw. Er betete am Grab der Märtyrer des Glaubens: Pater Jerzy Popieluszko in Krakau, Msgr. Oscar Romero in Salvador. Bei jeder Reise nach Polen betete er am Grab seiner Familie; in Rom ging er jedes Jahr an Allerseelen in einen römischen Friedhof. 

(Fortsetzung folgt)
von Bernard Balayn